Architekturführungen in Zürich – Europaallee versus Zollhaus
Eines der meistdiskutierten Bauprojekte des letzten Jahrzehnts in Zürich ist die Europaallee.
Das Areal in unmittelbarer Nachbarschaft des Zürcher Hauptbahnhofs war 150 Jahre lang Lagerplatz für den Bahnbetrieb. Nach dem Scheitern verschiedener Grossprojekte rund um den Bahnhof, setzte sich das Projekt Europaallee nach einem städtebaulichen Konzept von Kees Christiaanse durch. Das Areal wurde ich acht Baufelder gegliedert, Rahmenbedingungen waren Höhenbeschränkungen sowie Vernetzung der Strassen zum angrenzenden Quartier. Eine neue baumbestandene Strassenachse, die Europaallee, bildet mit je einem Platz am Anfang, dem Ausgang des Bahnhofs und am Ende mit zwei Hochhäusern den markantesten Eingriff.
Die Bauherrschaft, die SBB, Schweizerische Bundesbahn, setzte auf belebte Erdgeschosse mit Gastronomie und Läden, in den Obergeschossen auf Büro- und Wohnnutzung.
Am zentralen Europa-Platz in Bahnhofnähe befindet sich die Pädagogische Hochschule nach Plänen von Max Dudler sowie eine Grossbank, realisiert vom Dreierteam Dudler, Gigon Guyer und Chipperfield.
Das Pendeln mit dem öffentlichen Nahverkehr, sei es für Studium, Arbeiten oder Wohnen, macht die Europaallee attraktiv. Die 400 Wohnungen in den Baufeldern von Caruso St. John, Graber Pulver und Boltshauser Architekten sind hier auf höchstem Niveau in der Stadt.
Eine Milliarde Franken floss in die Realisierung der Europaallee.
Dieser Luxus wirft auch Fragen auf, wie es um bezahlbaren Wohnraum steht, vor allem in direkter Nachbarschaft zum ehemaligen Arbeiterquartier.
Auf der anderen Seite der Bahngleise will die SBB auf einem schmalen Grundstück gemeinnützigen Wohnungsbau ermöglichen. Die junge Genossenschaft Kalkbreite bewirbt sich dafür und realisiert hier nach den Plänen von Enzmann Fischer Architekten ihre zweite Siedlung, das Zollhaus mit 50 Wohnungen.
Das Zollhaus präsentiert sich als dreiteiliges Volumen mit einer Fassade aus grauen Faserzementplatten. Die Konstruktion der Aussenwände ist ein Holzelementbau, die Tragkonstruktion aus Recyclingbeton. Räumlich besticht ein imposantes Atrium von 11 Metern Höhe aus Sichtbeton im grössten Volumen. Als verbindendes Element zur Gleisterrasse im 1. Obergeschoss zeigt es Grosszügigkeit, wo an anderen Orten gespart wird. Balkone gibt es nicht, dafür Dachterrassen für die Gemeinschaft. Neu ist das Experiment mit Hallenwohnungen von bis zu 275 Quadratmetern und 4.1 Meter Höhe, wo die Bewohnenden in Eigenregie ihre Wohnung ausbauen. Senioren-WGs im Mittelbau und ein städtischer Kindergarten in luftiger Höhe im kleinsten Volumen vervollständigen das Angebot.
Das Sockelgeschoss des Zollhauses verbindet, ähnlich wie in der Europaallee alle drei Bauteile und bietet einen bunten Mix unterschiedlicher Nutzungen, mit Restaurant, Architekturforum, Espresso-Bar, Eisdiele, Lebensmittelladen sowie nachhaltigem Kleiderladen und belebt den Strassenraum.
Grundlegende Fragen beim Zollhaus waren, wo kann gespart werden, was kann entfallen? Europaallee versus Zollhaus!
Text: Barbara Petri, ARCHiTOUR
Keine Kommentare