Brutalismus – Kult am Bau
Kaum etwas in der Architekturgeschichte wird häufiger missverstanden als der Begriff ´Brutalismus´. Keine düsteren, brutal anmutenden Betonmonster sind gemeint, sondern Gebäude, deren Kennzeichen das rohe unverfälschte Material und die zur Schau gestellte Konstruktion ist. Obwohl in Großbritannien und in den USA entstanden, wurde der Schweiz-Franzose Le Corbusier als der große Architekt und Visionär des 20. Jahrhunderts zur Schlüsselfigur. Er hat mit seinen späten Bauten wie dem Kloster La Tourette oder der Unité d´Habitation (Wohnmaschine) berühmte Unikate geschaffen und den Begriff des Brutalismus geprägt mit seiner Definition des rohen Betons: „Béton brut“ – der Marmor des Architekten.
Der britische Architekturtheoretiker Reyner Banham definierte 1955 diese wichtige Nachkriegsepoche mit drei Kennzeichen: formale Lesbarkeit des Grundrisses, klare Zurschaustellung der Konstruktion und Wertschätzung der Materialien „as found“. Der Kurator des Deutschen Architekturmuseums in Frankfurt (DAM) Oliver Elser fügt noch ein nicht unerhebliches Kriterium hinzu: den künstlerischen Aspekt. Denn nicht jedes Betonparkhaus und Mittelstufenzentrum der 60er Jahre aus Sichtbeton verdient in den Himmel der Brutalismus-Ikonen aufgenommen zu werden. Und viele dieser spröden, oft ungeliebten Zeugen der Nachkriegsmoderne sind vom Abriss bedroht. Erst langsam entdeckt der Denkmalschutz die grauen Riesen, die oft in schlechtem Zustand, ungenutzt oder gar asbestverseucht nur Fachleuten von besseren Zeiten erzählen.
1000 Gebäude bitten um Hilfe
Unter dem Hashtag „SOSBrutalism“ dokumentiert das DAM in einer Art „roter Liste“ über 1.000 Beispiele weltweit, erstmals nach Status erfasst und gelistet. Am 9. November eröffnet eine große Ausstellung, zu der auch ein Buch erscheint. Das Interesse daran ist schon jetzt riesig.
In Berlin gibt es neben der Kirche Regina Martyrum in Charlottenburg der Tschechischen Botschaft in Mitte das Ex-Rotaprint-Gebäude im Wedding, die Deutsche Oper in Charlottenburg und die Akademie der Künste in Tiergarten als hervorragende Brutalismusbauten. Unbestrittenes Highlight ist allerdings die von Arno Brandlhuber umgebaute, als Galerie auferstandene Kirche St.Agnes von Werner Düttmann. Kurzum: Glücksfälle für die Stadt – und sie funktionieren bis heute auf hohem Niveau, auch dank gelungener Sanierung, privat oder öffentlich finanziert.
Ein Patient liegt allerdings im Sterben: der „Mäusebunker“.
Irgendwo zwischen „Zweitausend Meilen unter dem Meer“ und „Krieg der Sterne“
Das seit 2010 ungenutzte Gebäude ist das ehemalige Tierversuchslabor der Charité von Gerd Hänska, erbaut 1970-82. Es erinnert an einen imperialen Sternenzerstörer, mit seiner rohen Betonfassade und schmucklosen Fensterbändern, seinen herausragenden Lüftungsrohren und Sichtschlitzen. Es würde niemanden überraschen, stünde Kapitän Nemo oder Darth Vader auf der Kommandobrücke. Der Eigentümer mauert, will das sperrige Ding loswerden, Betreten verboten!
Eine Umnutzung lässt sich sicher nicht wirtschaftlich realisieren. Hier müssen höhere Mächte ran. Bei den Instagramern ist das Ding schon mehr als ein Geheimtipp. Vielleicht kann Social Media zur Rettung beitragen, als Crowd Funding für ein neues Hauptquartier von Computer-Nerds und Whistleblowern.
•
Text: Der Beitrag von Iris Braun und Thomas M. Krüger, von Ticket-B, Mitglied von Guiding Architects in Berlin, ist eine Abwandlung des kürzlich im Berliner Stadtmagazin tip veröffentlichen Beitrags zum Thema Brutalismus
Erstes Bild: „Mouse Bunker main façade, as a key example of Brutalism in Berlin. Copyright. Thomas M. Krüger”.
sorry das ist für mich seelenlose Architektur, ich weiss nicht woran es liegt aber ich verabscheue moderne Architektur wenn es um die Ästhetik geht. Vergleicht man Opern im Rokkoko Stil, Kirchen im spätgothisch oder klassizistischem Stil mit Bauten wie dem hier ist es erschreckend. Es braucht eine Rennaisance in der Architektenszene, finde ich. Keine abstrakten Formen, Stahl, Beton und Glas mehr. Kehrt zurück zur natürlichen Schönheit, Schlichtheit und Eleganz.