Das Ingenieurbauwerk – Stuttgart bastelt
Schon der geistige Vater des Fernsehturms Fritz Leonhardt sagte 1956 über sein Ingenieurbauwerk (und im Grunde über die Architektur allgemein): „Mit diesem Bauwerk ist es wohl gelungen, dass man technisch Notwendiges gleichzeitig schön gestalten kann, sodass es den Menschen zur Freude wird und ihnen unmittelbar dient“.
Neben diesem Wahrzeichen der Stadt ist Stuttgart bei Architekturliebhabern auch bekannt für weitere Klassiker der Moderne wie die Weissenhofsiedlung, den Tagblatt-Turm, den Hauptbahnhof, die Liederhalle und die Staatsgalerie. Richtig kennenlernen werden Sie Stuttgart, die Stadt der ‚Tüftler‘, aber eher abseits des Zentrums. Fahren Sie mit einer geführten Architekturtour raus aus dem Kessel und Sie finden Experimentierfreude, schwäbisches Understatement, aber auch viel Stilbewusstsein und stilistische Querdenkerei!
Interessant hierbei ist, dass die herausragenden Stuttgarter Projekte keine „Architekturphantasien“ sind, sondern immer einen starken Bezug zu der konstruktiven, berechenbaren und ingenieurorientierten Qualität der Projekte haben. Dies deutet auf eine enge Partnerschaften zwischen Architekten und Ingenieuren hin, oder daß dass sie direkt von Ingenieuren realisiert wurden und werden.
Sie können alles – Türme und Stadien
Das Paradebeispiel für ein im wahrsten Sinne des Wortes Leuchtturmprojekt ist der schon oben erwähnte 1956 fertiggestellte Fernsehturm und sein Baumeister Fritz Leonhardt – ein Bauingenieur. Aber auch später hinterließen „Architekten-Ingenieure“ ihre Spuren in der Stadt und weit darüber hinaus, wie zum Beispiel der Architekt und Pritzker Preisträger Frei Otto mit dem Olympiastadion München, das Ingenieurbüro Schlaich Bergermann und Partner mit Bauten für Fußballstadien zur Fussballweltmeisterschaft in Südafrika oder der Bauingenieur und Architekt Werner Sobek mit energieeffizienten Projekten in der ganzen Welt.
Raus aus dem Kessel – beste Architekturlagen
Von diesen Büros finden sich praktischerweise auch herausragende Objekte in Stuttgart selbst, welche aufgrund ihrer oftmals versteckten Lage am besten mit geführten Architekturtouren zu entdecken sind. So steht im Park auf dem Killesberg der gleichnamige Turm – ein elegantes Ingenieurbauwerk mit Aussichtsplattform von Schlaich, Bergermann und Partner aus dem Jahr 2001. Nicht weit davon entfernt in der Weissenhofsiedlung steht das energetisch zukunftsweisende Aktivhaus B10 aus dem Jahr 2014 vom ‚Solararchitekten‘ Werner Sobek, das doppelt so viel Energie produziert, wie es verbraucht.
Auf dem Universitätsgelände in Stuttgart-Vaihingen bot sich von 1959 an viel Raum für experimentelle Gebäude: das Institut für leichte Flächentragwerke von Frei Otto, Baujahr 1969, ein Architekturklassiker des Leichtbaus oder das berühmt gewordene, 1987 fertiggestellte Hysolar-Gebäude des Büros Behnisch – ein frühes dekonstruktivistisches Manifest.
Ein aktuelles Beispiel für Entwerfen und Bauen im 21. Jahrhundert ist das Zentrum für Virtuelles Engineering (ZVE), entworfen von UNStudio (Ben van Berkel, 2012).
Seien Sie neugierig und besuchen Sie bei Gelegenheit das schwäbische Silicon Valley der Archingenieure!
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Text von: Johannes Schuler, von Guiding Architects Stuttgart.
Erstes Bild: “A detail on the windows of Stuttgart’s Center For Virtual Engineering, originally ZVE – Zentrum für Virtuelles Engineering. Copyright: Johannes Schuler”.
https://www.fernsehturm-stuttgart.de/
http://behnisch.com/work/projects/0459
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