Das neue Tor zum Park
Das Ethnografische Museum von Napur architect schafft eine neue Eingangssituation am Budapester Stadtpark, reagiert aber auch auf die Lage am Park und die Geschichte des Ortes.
Für die meisten Budapester führt der Weg ins Stadtwäldchen „Liget“ über die berühmte, schnurgerade Andrássy Straße. Dabei ist gar nicht die Andrássy Straße, sondern die Achse Király Gasse – Városligeti Allee der traditionelle Weg vom mittelalterlichen Stadtkern in den über 200 Jahre alten Park. Ursprünglich mündete der Weg in das kreisrunde, von drei Baumreihen umstandene Rondeau und einen damals nicht verwirklichten kleinen Torbau.
Genau dies griffen die Ideengeber des Liget-Projekts auf, als sie 2011 als Endpunkt der Városligeti Allee zwei Museumsbauten, eins für Fotografie und eins für Architektur, vorschlugen, um eine Torsituation zu schaffen. In einer ersten Wettbewerbsrunde konnten zwei würfelartige Bauten die Jury am ehesten überzeugen. Nach einer Konzeptmodifizierung erhielt das Ethnografische Museum hier seinen Standort und ein zweiter Architekturwettbewerb wurde durchgeführt, den im Mai 2016 das Budapester Büro Napur architect von Marcel Ferencz gewann. Die Geste eines umgekehrten Tormotivs überzeugte die Jury am meisten: die historische Achse fand endlich ihren würdigen Abschluss, ebenbürtig und formell verwandt zum Halbrund der Könige am nahen Heldenplatz.
Das Ende des Aufmarschplatzes
Der Standort des Museums war lange Zeit Ort parkfremder Nutzung. Hier entstand 1931 die Regnum Marianum Kirche, die 20 Jahre später einer Aufmarschfläche inklusive Stalin-Denkmal Platz machen musste. Das Stalin-Denkmal verschwand nach der 1956-er Revolution, aber Tribüne und 12 Hektar baumlose Fläche blieben für drei weitere Jahrzehnte. Erst 50 Jahre später wird das Denkmal der Revolution von 1956 genau dort enthüllt, wo die Aufständischen das Stalin-Denkmal vom Sockel stießen.
Marschiert der Besucher heute hinauf aufs grüne, geschwungene Museumsdach, endet der Weg praktisch im Nichts. Stattdessen erreicht man die Traufhöhe der Nachbarbebauung und staunt über neue Stadtansichten bis hin zu den Budaer Bergen. Erkennungsmerkmal des Ethnografischen Museums ist nicht nur die langgestreckte Bogenform, sondern auch die Metallornamente an seiner Außenhaut. Es scheint, als hätte jemand Bodenschichten nach oben gedrückt, und zum Vorschein kamen statt Bodenkörnern eine halbe Million metallene Pixel, die Dekorationen verschiedener Ausstellungsobjekte des Museums zitieren.
Muster von Vasen, Körben, Hüten oder Decken wurden so stark abstrahiert, dass sie ein zeitgenössisches Abbild des Inhalts des Museumsbaus nach außen transportieren konnten.
Eine kleine Sensation hält die innenliegende Promenade noch bereit: das Stadtmodell „Budapest 1910“. Mit dem Auge lässt sich am Ende einer Architekturführung noch einmal ablaufen, wie der Weg von der Stadtmitte über die Király oder Andrássy Straße ins Stadtwäldchen, und wie der Park ohne die Museumsneubauten vor 110 Jahren wohl ausgesehen haben mag.
Text: Arne Hübner, GA Budapest
https://napur.hu/en/munkak/neprajzi-muzeum-atadas/
https://ligetbudapest.hu/en/renewed-varosliget/museum-of-ethnography
https://neprajz.hu/en/
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