Phantom und Phönix. Die lange Geschichte der Istanbuler Oper
Die Istanbuler Oper oder das Atatürk Kulturzentrum ist wieder eröffnet. Endlich! Eine festliche Eröffnung fand zwar schon im Oktober 2021 statt, aber das gesamte Gebäude wird frühestens im März 2022 für den Publikumsverkehr zugänglich sein. Die Geschichte der Istanbuler Oper begann schon 1946 an. Für den damals Istanbul Kulturpalast genannten Bau entwarf der Architekt Auguste Perret ein Vorprojekt. Der Stadtverwaltung fehlten aber die nötigen finanziellen Ressourcen für die Realisierung und so flankierte eine Bauruine mehr als 20 Jahre, wie ein Phantom die Ostseite des prominenten Taksim Platzes. Der Istanbuler Architekt Hayati Tabanlıoğlu bekam 1957 den Auftrag das Projekt neu zu planen um die Misere zu beenden, was aber erst 1969 realisiert wurde. Unglücklicherweise brannte die Oper nach nur knapp zwei Jahren komplett ab. Tabanlıoğlu übernahm den Wiederaufbau mit den nötigen technischen Erneuerungen. Erst nach weiteren sieben Jahren, konnte das Atatürk Kulturzentrum, wie der Bau nun hieß, 1977 eröffnet werden.
Das Gebäude besaß einen großen Saal, zwei kleinere Bühnen, einen Kinoraum und weitläufige Ausstellungsflächen. Die große einladende Glasfassade, mit lokal hergestellten Stahlelementen, wurde zum Symbol des Taksim Platzes. Der Architekt Hayati Tabanoglu arbeitete für die Außen- und Innenraumgestaltung auch mit türkischen Keramikkünstlern zusammen. Dreißig Jahre funktionierte das Gebäude als Mittelpunkt der Kulturszene ohne Probleme, doch 2008 beschloss die Regierung die Schließung und den Abriss unter fadenscheinigen Vorwänden.
Heftige Diskussionen gegen diesen Beschluss konnten den Abriss, dieses eigentlich geschützten Gebäudes, nicht verhindern. Die Regierung übergab Murat Tabanlıoğlu, dem Sohn des ehemaligen Architekten, den direkten Auftrag für einen Neubau. Dieser versuchte sich in seinem Entwurf an die ikonischen Facetten des Vorgängerbaus anzulehnen, wie etwa die Fassade und die keramischen Details. Während das ursprüngliche Gebäude aus einem Baukörper bestand, breitet sich das neue Kulturzentrum auf dem ganzen Grundstück mit viel mehr Funktionen aus und verbindet die umliegenden Straßen mit dem Platz.
Ein großer Konzertsaal, ein Theatersaal, ein multifunktionaler Saal, Räumlichkeiten für Kinder-Kunstaktivitäten, eine Bibliothek, Designshops, ein Museum, und weitläufige Ausstellungsflächen, Bereiche für Gastronomie wurden mit den technischen Notwendigkeiten des 21.
Jahrhunderts ausgestattet. Während Vater-Architekt mit der Glasfassade in den illuminierten Innenraum einlud, wechselte Sohn Architekt den Fokus; er entwarf um den großen Saal eine sphärische Kugel. Diese wurde mit speziell entworfenen kirschroten Keramikkacheln verkleidet und nun schimmert die rote Kugel durch die Glasfassade einladend hinaus zum Taksim Platz. Der aktuelle Bau ist wie eine dritte Erscheinung des Opernphönix nachdem das Gebäude mehr als 44 von 75 Jahren ein Phantomdasein fristete. Hoffen wir, dass der Fluch gebannt ist und sich jeder Besucher, des wieder zum Leben erweckten Kulturzentrums, in Frieden der Künste erfreuen kann.
Text: Zeynep Kuban, GA Istanbul
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