Grand Tour in Spanien und Portugal
Esto me suena a chino. Es ist eine Frage des Verstehens. Zumindest wenn wir, durch die Welt reisend, mehr wollen, als Martini schlürfen und an langen Sandstränden schlendern. Wenn wir Fragen haben, uns neue Horizonte eröffnen möchten. Weil wir Unbekanntes verstehen, unsere eigenen Überzeugungen und Vorstellungen hinterfragen wollen. Vermutlich auch, weil wir oft mit der Hoffnung auf Antworten losreisen, aber mit neuen Fragen zurückkehren. Als wir die Antworten hatten, änderten sich die Fragen (Aldous Huxley).
Zwölf chinesische Architekturstudenten und Studentinnen reisen während 3 Wochen in einer klassischen Grand Tour mit einem Bus kreuz und quer durch die iberische Halbinsel. Organisiert und betreut seitens Guiding Architects von unseren Mitgliedern in Madrid, Valencia, Granada, Cordoba, Sevilla, Lissabon, Porto, Asturien, Bilbao, San Sebastian, Barcelona und Girona. Ziel war es natürlich, die neue, zeitgenössische Architektur Spaniens und Portugals aus erster Hand kennenzulernen. Auch wenn ihnen die Stararchitektur – wie Calatrava’s Ciutat de les Arts i les Ciències in Valencia, Gerry‘s Guggenheim Museum in Bilbao oder Nouvell‘s Museum Reina Sofia in Madrid – interessanter erschien als erwartet; was sie meisten beeindruckte, war der Fundus an architektonischer und städtebaulicher Tradition in Spanien und Portugal, und deren Umgang damit.
2000 Jahre Geschichte Spaniens und Portugals, in Architektur kondensiert. Die muslimische Besetzung bis ins 15. Jahrhundert, die Reconquista der katholischen Könige, die klassische Moderne, die Zeit der Diktatur, die Demokratie mit Olympiaden und Weltausstellungen…. Alles lässt sich in Spaniens und Portugals Städten nachvollziehen, vom aufmerksamen und gebildeten Betrachter wie in einem offengelegten Geschichtsbuch nachzulesen.
Die Transformation des islamischen Städtebaus – also ein radikal neuer Umgang der Repräsentation – in Cordoba, Valencia. Das Weiterschreiben an architektonischen Meilensteinen, von der Alhambra in Granada, der Mezquita in Cordoba bis hin zur Sagrada Familia in Barcelona. Sensible Revitalisierungen von scheinbar obsolet gewordenen Fischersiedlungen wie der El Cabañal in Valencia oder Textilfabriken wie Can Framis in Barcelona. Statt tabula rasa entstehen erneuerte Daseinsberechtigungen.
Die Architekturführung ist immer ein beidseitiger Dialog. Warum verschiebt Ihr den riesigen, alles blockierenden Containerhafen Valencias nicht einfach um 50 Kilometer die Küste hinauf, fragt uns Professor Ho salopp? Klar, das würde man in China, Malaysia, Singapur wohl tun. Das Undenkbare trotzdem einmal durchdenken. Darum geht’s beim Kulturaustausch.
Übersetzungsprozesse – Grand Tour Spanien Portugal
Im aktuellen chinesischen Jahr der Ratte verstehen wir, dass das pelzige Tier in China eine andere Konnotation aufweist als bei uns. So wie sich unsere Chinesen ab Spaniens Wertschätzung des stolzen Stiers wundern. Architekturführungen sind Übersetzungsprozesse. Vorab natürlich das ganz Konkrete: Die spanische Menü – Karte, von welcher ein Chinese kaum was versteht. Doch das Entscheidende ist das Übersetzen der Konnotationen, der kulturellen Differenzen. Wir von Guiding Architects erklären die Geschichten hinter den Bildern, erläutern neben den architektonischen Konzepten auch den wirtschaftlichen, sozialen und politischen Kontext. Ermöglichen so, die richtigen Fragestellungen im ungewohnten gesellschaftlichen Kontext zu finden.
Wenn die Deutschen etwas nicht verstehen, dann sagen sie oft: Das kommt mir Spanisch vor. Die Spanier ihrerseits sagen: Das kommt mir Chinesisch vor – Esto me suena a chino.
Mein chinesischer Freund Luan Wang schreibt mir beim Gegenlesen dieses Blogs: Du klingst wie ein Vogel. Naja.
Text: Hans Geilinger, GA Barcelona
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