Guiding Architects @Home – Diese Woche: Bo Christiansen von scaledenmark.dk
Hier kommt die dritte Folge unserer neuen Interviewreihe. Dieses Mal teilt Bo Christiansen von scaledenmark.dk Kopenhagen ihre Tips mit uns.
1. Leer
Für gewöhnlich sind viele attraktive Plätze und Gebäude von Einheimischen und Touristen überlaufen, und wir neigen daher dazu, sie aus unserem Alltag auszublenden. Doch nun sind unsere Städte plötzlich leer.
Welche architektonisch und städtebaulich interessanten Orte würdest Du nun bei Euch am liebsten erkunden?
Bo: „Ich würde gerne Copenhill besteigen, eine künstliche Skipiste auf einer Müllverbrennungsanlage, inklusive wunderschön gestaltetem Gründach. Das Gebäude wurde im Oktober 2019 eröffnet und bildet eine spannende Synthese aus Infrastruktur und Freizeitfunktion. Ich würde wahnsinning gerne sehen, wie sich der Frühling auf die Landschaftsarchitektur von SLA ausgewirkt hat, ob jetzt alles blüht, und wie sich die Bepflanzung entwickelt hat. Nach dem steilen Anstieg ist der Blick über Kopenhagen von der Bergspitze wirklich ehrfurchtgebietend und kann sehr relativierend wirken.
2. Virtuell
In Zeiten der Quarantäne können wir vom Mobiltelefon aus binnen weniger Sekunden rund um den Globus reisen und dank detaillierter Luftbilder und Straßenaufnahmen ungeahnte Einblicke erhalten.
Kannst Du ein Beispiel nennen für eine durch die Sicht vom Himmel determinierte Architektur an Deinem Standort?
Bo: „Ein sehr poetisches Beispiel ist die Circle Bridge von Olafur Eliasson. Sie ist eine Verbindung von Infrastruktur, Skulptur und sozialem Treffpunkt, und ist aus allen Winkeln betrachtet beeindruckend. Von vorne gesehen ähnelt sie einem Schiff, dessen Masten aus dem Brückendeck stecken. Sie lädt Besucher ein, einen Moment innezuhalten und die Sorte-Diamant-Bibliothek auf der anderen Seite zu betrachten. Von oben betrachtet ist ihre einzigartige Form am besten erkennbar: eine Brücke, die aus Kreisen zusammengesetzt ist.“
3. Revitalisiert
In vorangehenden Krisen hat stets die ältere Generation unseren Jungen helfen müssen. Jetzt ist es genau umgekehrt.
Wie geht man in Deiner Stadt mit alter, brachliegender oder verlassener Bausubstanz um?
Bo: „In Kopenhagen gibt es einen ungewöhnlichen Ort mit alten Industriebauten, nur zehn Minuten per Fahrrad vom Stadtzentrum entfernt: Refshaløen. Die Industriedenkmäler werden jetzt vom sehr populären Foodmarkt Reffen und innovativen Studentenwohnungen genutzt. Die Ästhetik des alten Industriehafens und seine Materialien, wie etwa alte Container, eignen sich dafür hervorragend. Die beiden Studentenwohnprojekte Cpv village und Urban Rigger gehen auf vorbildliche Weise mit dem weitläufigen Raum um.
4. Versteckt
Als Guiding Architects warten wir sehnsüchtig auf den Moment, ein dem wir erneut die geheimen Orte unserer Städte besuchen und mit unseren Gästen teilen können.
Kennst Du ein Projekt in Deiner Stadt, das man auf den ersten Blick nicht wahrnimmt.
Bo: „In Nordvest steht eine schöne Kirche, die Grundtvigs Kirke, die viele Architekturfans verpassen, weil sie etwas ab vom Schuss liegt. Eigentlich ist das ziemlich ironisch, denn die Kirche thront auf einem Hügel und überragt die umliegenden Stadtviertel. P.W. Jensen hat dieses Meisterwerk der Architektur – eine massive Bauskulptur – aus einer Million gelben Klinkern geschaffen. Damit die Kirche wirklich jedermann gehörte, wurde sie von allen Dänen über die Steuern finanziert.“
5. Wertvoll
Plötzlich sind wir gezwungen, innezuhalten und auf alles Unnötige zu verzichten. Unsere Umwelt bekommt eine Verschnaufpause, und wir können uns endlich auf das Wesentliche konzentrieren.
Kannst Du ein Projekt in Deiner Stadt vorstellen, das auf besondere oder ungewöhnliche Art mit dem Thema Nachhaltigkeit umgeht?
Bo: „Die Lendager Group formuliert mit ihren Ressource Rows und Upcycle Studios die Botschaft, dass „es in der Natur keinen Abfall gibt“. Die recycelten Backsteine für die Ressource Rows stammen von Häusern auf dem platten Land. „Wenn die Leute in die Stadt ziehen und ihre Häuser zurücklassen, können wir das übrig gebliebene Material in die Stadt bringen“, lautet der Gedanke dahinter. Die Upcycle Studios wollen dagegen die Sharing Economy in die physische Welt bringen und bieten neue Typologien mit einem hohen Grad an Flexibilität.“
Wirklich etwas Besonderes – die grundtviks Kirke. Auf wikipedia gibt es Fotos davon: https://de.wikipedia.org/wiki/Grundtvigskirche