Mehr Platz für Fußgänger und Radfahrer, weniger Platz für Autos: Die Neueinrichtung des Coolsingel in Rotterdam
Im niederländischen Monopoly-Spiel ist der Coolsingel als dritte der grünen Straßen eines der teuersten Pflaster. Auch in Wirklichkeit ist er eine prominente Adresse in Rotterdam: Er durchkreuzt das Stadtzentrum von Nord nach Süd, gesäumt von Büro- und Geschäftsbauten, aber auch von den wenigen öffentlichen Gebäuden, die das Bombardement im Zweiten Weltkrieg überlebt haben: dem Rathaus, der alten Hauptpost und der Börse. Was dem Coolsingel bis vor kurzem jedoch fehlte, war Aufenthaltsqualität. Die Gehsteige waren verstellt von zahlreichen Imbisspavillions, kombiniert mit wenig ansehnlichem Straßenmobiliar. Neben dem Gehweg lag ein schmaler Radweg und daneben auf jeder Seite zwei Autospuren, die eine zentrale Straßenbahntrasse flankierten. Täglich brausten 22.000 Autos mit bis zu 50 Stundenkilometern den Coolsingel entlang. Das hat sich nun dank einer von West 8 entworfenen, 58 Millionen Euro teuren Neugestaltung gründlich geändert.
Ursprünglich war der Coolsingel eine der Grachten, die die Befestigungsanlage von Rotterdam bildeten. Zwischen 1913 und 1921 wurde er zugeschüttet und der so entstandene Boulevard mit einer Reihe repräsentativer öffentlicher Gebäude bebaut, später gefolgt von Hotels, Kinos und Kaufhäusern. Nach dem Krieg entschied man sich für eine autogerechte Einrichtung der Innenstadt und machte den Coolsingel zur Hauptverkehrsader.
Von der autogerechten Stadt zur City Lounge
Seit 2008 fährt die Stadt jedoch einen entgegengesetzten Kurs und will die Innenstadt in eine „City Lounge“ verwandeln. In der modernen Hafenstadt ist der Ruf nach Gemütlichkeit immer lauter geworden, weshalb nun in Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung und zur Aufwertung des öffentlichen Raums investiert wird. Dementsprechend soll der Coolsingel nicht mehr nur als Durchgangsroute dienen, sondern vor allem Teil eines S-förmigen Spazierwegs von der Galeriemeile Witte de Withstraat zur Einzelhandelsstraße Meent sein.
Dafür ließ West 8 die Westseite als breiten Boulevard einrichten. Als Bodenbelag dient auf den Gehwegen, die nun weitgehend frei von Pavillons sind, ein indischer Sandstein, dessen Beigeton gut zum Sandstein, Travertin und dunklen Klinker der Gebäude passt. Zwar wurden einige alte Platanen gefällt, aber es wurden auch neue gepflanzt, so dass letztlich 38 zusätzliche Bäume am Coolsingel stehen. Rundliche Sitzbänke, Hochbeete mit Sitzrand und ornamentale Lichtelemente, die West 8 speziell für den Coolsingel entworfen haben, runden das Bild ab. Daneben verlaufen auf der Westseite der Straße zwei schwarz asphaltierte Spuren für Autos, die nur noch maximal 30 Stundenkilometer fahren sollen.
Auf der Ostseite liegt ein ebenfalls zweispuriger, 4,50 Meter breiter, beigefarben asphaltierter Radweg. Seine Farbgebung ist ungewöhnlich und zeugt vom Sonderstatus des Coolsingel, denn der Asphalt niederländischer Radwege ist normalerweise rot. Unter dem Pflaster befindet sich ein Drainagesystem, das Regenwasser direkt in den Boden infiltrieren lässt anstatt es in die Kanalisation zu leiten.
Der neue Coolsingel, auf dem es nur noch halb so viel Autoverkehr wie zuvor geben soll, will Scharnier statt Barriere im Stadtraum sein. Das einzige, was sich nicht verändert hat, ist die Straßenbahntrasse, die aus finanziellen Gründen an ihrem zentralen Ort belassen wurde.
Text: Anneke Bokern, Architour
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