Neues Leben in der Luisenstadt – ein Stück Berlin wächst zusammen
Berlin war lange Jahre eine geteilte Stadt und die Spuren dieser Teilung sind vielerorts noch heute sichtbar. Einzelne Gebäude, ganze Straßenzüge und Stadtviertel erzählen die Geschichte von Trennung und Wiedervereinigung – besonders eindrücklich in der Luisenstadt. Die nach Königin Luise benannte Stadterweiterung erstreckt sich südlich der Berliner Innenstadt und war Anfang des 20. Jahrhundert das am dichtesten bebaute Gebiet Berlins. Über den Oranienplatz, das Herz der Luisenstadt, führt seit Mitte des 19. Jahrhunderts die Dresdener Straße vom Kottbusser Tor in die Berliner Innenstadt. Ungefähr auf halber Höhe der Straße wurde 1865 die Luisenstädtische Gewerbeschule errichtet. Ein imposanter viergeschossiger Klinkerbau im Stil der Zeit – Architekt unbekannt. Der Name der Schule ist längst vergessen, das Hauptgebäude im Krieg vernichtet und dennoch zeugt der Ort bis heute von den Wirren der Geschichte.
Teilung und Zerstörung
Die Luisenstadt ist keiner der bekannten Berliner Kieze – als 1920 die Gemeinden und Vororte zu Groß-Berlin vereint wurden, verschwand sie von der Landkarte. Das Viertel wurde geteilt und den neuen Bezirken Kreuzberg und Mitte zugeordnet. Im Februar 1945 zerstörte ein Luftangriff den Großteil der Luisenstadt. Auch die Schule wurde dem Erdboden gleichgemacht, nur ein Nebengebäude blieb erhalten. Es stand nun direkt an der neu gezogenen Staatsgrenze zwischen DDR und BRD. Notdürftig in Stand gesetzt diente es als Abhöranlage und Telefonzentrale für „Grenzinformationsaufgaben“. Durch den Mauerbau 1961 wurde die Teilung der Luisenstadt schließlich endgültig zementiert und man planierte die ganze Gegend. Stehen blieb auf dem leeren Mauerstreifen nur das Schulhaus. In dem legendären Wim Wenders Film „Himmel über Berlin“ sieht man es in der Szene der Menschwerdung des Engels Damiel direkt hinter der Mauer stehen.
Wendezeit
Nach der Wiedervereinigung 1989 verblieben die beiden Teile der Luisenstadt unter getrennten Verwaltungen. Die geteilten Straßenzüge wurden schnell wieder verbunden, doch ergab sich daraus noch kein gemeinsames Stadtquartier. Das ehemalige Schulgebäude an der Dresdener Straße wurde der Freien Waldorfschule Berlin-Mitte zur Verfügung gestellt. Die neue Nutzung machte aus der Brache ein Schulgelände mit Holzpavillons, Beeten, einem Garten und Sportplätzen. 10 Jahre lang war die Schule wieder Schule – dann wurde das Grundstück zu klein und die Waldorfschüler zogen 2001 an einen neuen Standort um. Zwei Jahre später wurde das Grundstück samt Schulgebäude durch das Berliner Liegenschaftsamt an eine Baugruppe von Kreativen verkauft: ein Architekt, ein Fotograf, zwei Schauspielerinnen. Sie setzten das ruinöse Haus in Stand und bauten es zu Wohnungen um. Insbesondere der Architekt, Heinrich Schulte-Frohlinde, engagierte sich für das Quartier und bebaute auch die umliegenden Brachflächen. Bis heute führt er sein Büro in dem ehemaligen Schulhaus, seit Anfang diesen Jahres gemeinsam mit dem Team von Guiding Architects Berlin.
Neues Leben in der Luisenstadt
Vis-à-vis errichten Schulte Frohlinde Architekten zusammen mit ZRS Ingenieuren ein neues zukunftweisendes Gebäude aus Holz. Ein Haus für gemeinschaftliches Wohnen sollte es ursprünglich sein. Schließlich wurden es doch konventionelle Wohnungen – aber in einer WG mit Wohnküche und fünf individuellen Zimmern findet sich noch der Co-Living-Gedanke. Dazu gibt es ein Co-Working und einen Wellnessbereich. Die gemeinschaftlich genutzte Dachterrasse und die umlaufenden laubengangähnlichen Balkone werden intensiv begrünt. Das gesamte Tragwerk bis auf Bodenplatte und Treppenhaus ist in Holz errichtet und bleibt sichtbar. Nur wenige Meter von dem alten Schulhaus kommt so neues Leben in den Hof an der Dresdener Straße und der historische Backsteinbau erhält ein nachhaltiges Pendant.
Im direkten Umfeld sind in den letzten Jahren viele weitere innovative Wohnungsbauten entstanden. Der Alfred-Döblin-Platz an der Dresdener Straße wurde neu gestaltet und stellt nun ein Scharnier zwischen den beiden Bezirken her. Am Moritzplatz lockt im Aufbauhaus das Architektur- und Kunstkaufhaus Modulor die kreative Szene an. Der lange geteilte Kiez wächst langsam wieder zusammen und baut eine eigene Identität auf. Vielleicht ist der Name Luisenstadt den Berlinern bald wieder ein Begriff.
Text: Kora Johanns, Ticket B
Liebe Kora,
da habt Ihr ja ein schönes neues HEIM gefunden – ich liebe solche alten Ensembles !!
Glückwunsch !
Wie toll ist das denn!!
Danke für den Artikel, die Hintergrundinformationen und die Bilder.
Viel Glück und Erfolg beim Bau!