Am Ufer der Weichsel, der inoffizielle neunzehnte Bezirk Warschaus
Warschau hat sich in letzter Zeit der Weichsel zugewandt, die zum inoffiziellen neunzehnten Bezirk der Stadt ernannt wurde. Jetzt kann man am linken Flussufer einen langen Spaziergang machen und einen herrlichen Blick auf die Brücken, das Nationalstadion und den Fluss selbst genießen. Dank der vielfältigen und doch klaren Vision des Planers, wie jeder Teil des Ufers aussehen sollte, kann sich ein gemütlicher Sonntagsspaziergang oder eine Radtour entlang der Weichsel in Warschau unerwartet in ein erstaunliches Abenteuer verwandeln.
Das Warschauer Aschenputtel
Die Geschichte von Powiśle erinnert an das beliebte Märchen vom Aschenputtel – natürlich mit Happy End. Alles begann in der Zwischenkriegszeit, als Polen wieder ein unabhängiges Land auf der europäischen Landkarte wurde. Der Prinz, der den bis dahin unbeachteten und am meisten vernachlässigten Teil Warschaus freilegte und in ein elegantes Symbol der Moderne verwandelte, war Stefan Starzyńskim, der heutige Präsident Warschaus. Natürlich wurde, wie in allen Märchen, mit Hilfe der guten Feen – Industrie, Sport, Kultur und Architektur – viel Arbeit geleistet. Nach fast 80 Jahren wurden diese Visionen, zerstört durch den Zweiten Weltkrieg, endlich Wirklichkeit.
Die neue Energie für die Stadt
Noch im XIX. Jahrhundert war Powiśle von Arbeitern, Binnenschiffern und Fischern bewohnt. Angeregt haben die Entwicklung dieses Stadtteils die aus der zweiten Hälfte des XIX. Jahrhunderts stammenden Industriebauten wie das Gaswerk an der Ludna-Straße und das Kraftwerk zwischen Wybrzeże Kościuszkowskie und Dobra-Straße – heute ein elegantes Einkaufszentrum mit Gastronomie namens Elektrownia Powiśle. Dort entstanden auch die ersten Pläne, den Bewohnern des überfüllten, grünlosen Warschauer Zentralbezirks die Nutzung des Flussufers zu ermöglichen. Die Mietskasernen, die sich über das Weichselufer erheben und die ein obligatorischer Bestandteil einer Tour für Architekten sind, wurden von Fachleuten entworfen wie Lucjan Korngold, der Häuser in Tel Aviv und Warschau baute und in Brasilien arbeitete, Wacław Wekert aus der architektonischen Avantgarde der Zwischenkriegszeit, und Bohdan Pniewski und Juliusz Żórawski.
Quartier Latin von Warschau – Unten an der Weichsel
Leider wurde das lebendige Viertel, das eng mit dem Fluss verbunden ist, während des Zweiten Weltkriegs stark zerstört. Nur langsam wieder aufgebaut, erlebte es erst in den 1990er Jahren eine Renaissance, als die Warschauer Universitätsbibliothek hierher verlegt wurde und die Wiederbelebung des industriellen Erbes begann. Heute ist das Leitmotiv des Viertels die neue Tradition eines „Quartier Latins“, in dem sich Universitätsgebäude und Bauten für Kultur und Kunst mit Restaurants, Clubs und Bereichen einer echten, generationenübergreifenden, städtebaulich-sozialen Integration vermischen, vorangetrieben und angereichert durch die Architektur. Dort, unten an der Weichsel und neben der Świętokrzyski-Brücke, werden Sie während der Führung auch eines der bekanntesten Symbole Warschaus finden: Syrenka, die Meerjungfrau, wahrscheinlich die Schwester der Kopenhagener Meerjungfrau.
Text: Beata Chomątowska, Stacja Muranów
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